Was waren das für schöne Zeiten, als in den Anfangsjahren unserer Pfarramtstätigkeit das Erntedankfest nahte! Ohne viel Werbung zu machen, brachten die Menschen zur rechten Zeit Körbe voller Obst und Gemüse, umrankt von zierlich gebundenen Kräutersträußchen und Herbstblumen. Einmal zog ein alter Herr, (wir Frauen waren bereits emsig mit dem Schmücken der Kirche beschäftigt), mühsam, aber nicht ohne Stolz einen ganzen Leiterwagen voller Erntegaben die steile Zufahrt zur Kirche hinauf, (und das vom andern Ende des Ortes her!). Dieses Bild wird mir unvergesslich bleiben.
Heute sieht die Vorbereitung zum Fest anders aus. Nur schwerlich bekommt man einige Gabenkörbe zusammen, man (frau) hat wohl auch weniger Nutz-Gartenflächen, eher Ziersträucher, Blumenkästen und Rasenflächen zu betreuen.
In dieser tristen Situation kam uns, den arbeitswilligen Frauen, ein wunderlicher Umstand zu Hilfe. Dazu muss man wissen, dass unser Nachbargebäude, einst Straßenwärterhaus, schon seit mehreren Jahren zum Verkauf steht und der umliegende Garten regelmäßig verwildert, (bis sich die Stadtgemeinde aus optischen Gründen genötigt fühlt, abmähen zu lassen.)
Nun zieht sich an dem der Kirche zugewandten nachbarlichen Maschendrahtzaungeflecht ein wunderschöner Weinstock entlang, der, von Menschenhand unbeeinflusst, sich an unserem straßenseitigen Kirchhofzaun offensichtlich weiter zu hangeln bemüht gewesen war.
Als unsere Tochter nun in der so entstandenen dicht bewachsenen Ecke etwas herbstliches Weinlaub zum Schmücken des Altars und der Kanzel holen wollte, konnte sie sich vor Staunen kaum fassen: Im dichten Gebüsch hingen, unsichtbar für das Auge des gelegentlich vorbei Kommenden, dicke Reben voller dunkler, süßer Trauben.
Und so kam es, dass in diesem Jahr sogar die Kirchenkaffeetische mit Weinlaub und Trauben geschmückt werden konnten. Ein Geschenk des Himmels? Uns kommt es so vor.
JESUS hat einmal gesagt: Ich bin der Weinstock. Ihr seid die Reben.
Ob wir wohl auch einmal Platz auf dem Erntetisch Gottes finden werden?
(Der Vollständigkeit halber wäre noch zu vermerken, dass wir die Trauben jenseits des Nachbarzaunes selbstverständlich unbehelligt ließen, wegen unserer juristischen Integrität, versteht sich.)