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Der Turmbau zu Babel

Der folgende Text entstammt einer Predigt von Pfr. Martin Schuler aus der Evangelische Kirchengemeinde Eupen - Neu Moresnet (Belgien) - (gefunden in http://www.ev-kirche-eupen-neumoresnet.org/predigten/turmbau_zu_babel.htm)

Der für diese Predigt zugrunde liegende Bibelabschnitt steht in 1. Mose 11, 1-9

Damals sprachen die Menschen noch eine einzige Sprache, die allen gemeinsam war. Als sie von Osten weiter zogen fanden sie eine Talebene im Land Schinar. Dort ließen sie sich nieder und fassten einen Entschluss: „Wohlauf, wir formen und brennen Ziegelsteine!“ riefen sie einander zu. Die Ziegel wollten sie als Bausteine benutzen und Teer als Mörtel: „Wohlauf, jetzt bauen wir uns eine Stadt mit einem Turm, dessen Spitze bis zum Himmel reicht!“ schrieen sie. „Dadurch werden wir uns einen Namen machen. Wir werden nicht über die ganze Erde zerstreut, weil der Turm unser Mittelpunkt ist und uns zusammenhält!“ Da kam der Herr vom Himmel herab, um sich die Stadt und das Bauwerk anzusehen, das sich die Menschen errichteten. Er sagte: „Sie sind ein einziges Volk mit einer gemeinsamen Sprache. Was sie gerade tun, ist erst der Anfang, denn durch ihren vereinten Willen wird ihnen von jetzt an jedes Vorhaben gelingen! Wir werden hinuntersteigen und ihnen ihre Sprache verwirren, damit keiner mehr den anderen versteht!“ So zerstreute der Herr die Menschen über die ganze Erde; den Bau der Stadt mussten sie abbrechen. Darum wird die Stadt Babylon („Verwirrung“) genannt, weil dort der Herr die Sprache der Menschheit verwirrte und alle über die ganze Erde zerstreute. Zunächst beginnt die Geschichte sehr erfreulich: Eine Gruppe von Menschen ist auf der Suche nach neuen Lebensräumen. Dabei kommen sie in die Ebene Schinar. Dort blüht, wächst und gedeiht die Vegetation, dort ließe es sich gut leben – doch man konnte sich keine sicheren Behausungen vor Feinden schaffen. Es gab weder sichere Höhlen, noch Steine, mit deren Hilfe man eine schützende Mauer bauen könnte. Aber dann machen die Menschen eine geniale Entdeckung. Sie stellen fest, dass man aus dem nassen Lehm, harte Steine brennen kann. Und diese Steine eigenen sich hervorragend, um sich sichere Behausungen zu schaffen. „Wohlauf, wir formen und brennen Ziegelsteine“. Man spürt den Worten die Begeisterung über diese Entdeckung ab. Es ist die Begeisterung darüber, einen Schritt weiter gekommen zu sein. Die Begeisterung darüber, endlich ein großes Problem gelöst zu haben. Die Begeisterung über neue große Möglichkeiten und Bequemlichkeiten. Es ist die Begeisterung und die Faszination an der Technik, die es bis heute gibt. Wohlauf, wir bauen Wasserleitungen, Waschmaschinen, Kühlschränke und Spülmaschinen, Krankenhäuser, Bauernhöfe, Straßen, Autos, Fernseher, Schiffe und Flugzeuge. Nichts ist dagegen einzuwenden. All diese Errungenschaften erleichtern uns das Leben und machen es angenehm. Diese Freude an der Technik soll nicht madig gemacht werden. Denn Gott hat uns Menschen Verstand geschenkt, damit wir unsere Welt bebauen und bewahren. Mit unserem Erfindungsgeist sollen wir Leben erhalten. Es wäre genauso falsch technischen Fortschritt zu verteufeln, wie wenn man einem Kleinkind verbieten wollte das Gehen zu lernen. Doch nun setzt der Mensch seine Errungenschaften für etwas ein, was sehr bedenklich ist. Hören wir Vers 4.

„Wohlauf, jetzt bauen wir uns eine Stadt mit einem Turm, dessen Spitze bis zum Himmel reicht. Dadurch werden wir uns einen Namen machen. Und wir werden nicht über die ganze Erde zerstreut, weil der Turm unser Mittelpunkt ist und uns zusammenhält.“ Zwei Dinge kann man aus diesem Vers heraus hören:

1. Mit Hilfe der Technik will der Mensch den Himmel erobern. Er möchte Gott vom Thron stoßen und selbst über alles regieren und bestimmen. Der Mensch möchte einen großen Namen haben. Ein Name der klingt und alle erschauern lässt, ein Name, der Bewunderung und Anerkennung hervorruft. Im Innersten wünscht der Mensch: „Mein Name werde geheiligt!“ Und die Technik soll ihm dabei helfen. So wie Gott sein. Dieser Wunsch steckt dem Menschen im Herzen. Und in der Tat hat der Mensch schon einiges erreicht: Man sagt: Gott ist überall. Überall ist der Mensch inzwischen auch. Kraft der Kommunikationstechnik könnte man uns an jedem Ort der Erde empfangen. Man sagt: Gott ist der Mächtige. In seiner Hand liegt das Leben der ganzen Erde. Mächtig ist der Mensch seit der Entdeckung der Atomkraft auch. (Aktuelle Anmerkung: Und er steht den Gefahren seiner Erfindung, die er nicht beherrscht, zunehmend ohnmächtig gegenüber). Er besitzt das Waffenarsenal, um das Leben auf der ganzen Welt auslöschen zu können. Man sagt: Gott schenkt uns Nahrung. Doch in der modernen Agrartechnik sollte es keine Missernten mehr. geben Man kommt ganz gut ohne Gott zurecht. Man sagt: Gott schenkt und nimmt Leben. Die Gentechnik macht es vielleicht bald möglich, dass man allein mit einer Zelle einen identischen Menschen wieder herstellen kann. Gegen den Einsatz von Technik ist nichts einzuwenden. Doch wenn die Menschen diese Technik zu ihrem Mittelpunkt machen, sie anbeten, in ihr das Heil suchen und innerlich und davon abhängig werden, wenn die Technik zu einem Turm wird, um sich zu verewigen, um sich selbst anzubeten, sich zu bewundern, wenn zum Beispiel ein Auto mehr wird als ein Fortbewegungsmittel, wenn man plötzlich meint, ein schönes Auto könnte meinem Namen Ehre einbringen; dann wird Technik zur Selbstanbetung. Und ein Zweites kann man noch aus diesem Vers heraus hören: Der Mensch sehnt sich zutiefst nach Frieden und Harmonie. Diese Sehnsucht hat Gott in ihn eingepflanzt. Doch, wie schwer ist es, dies zu verwirklichen? Denn jeder Mensch hat seine Eigenheiten seinen eigenen Namen, den er verewigen möchte. Und daher stammen die Interessenkonflikte. Doch nun soll ein gemeinsames Projekt die Interessen vereinigen und miteinander verschmelzen. Dieser Turm, diese Stadt soll den Weltfrieden garantieren. Er soll der neue, selbst geschaffene Mittelpunkt werden. Dieser Turm soll die Leere und den Unfrieden in der Seele des Menschen füllen. Wenn dieses Loch gefüllt werden könnte, dann bräuchte der Menschen keinen Gott mehr. Doch je höher der Turm, je mehr der Mensch meint, ohne Gott auszukommen, desto größer das seelische Loch und der innere Unfrieden. Die Entfernung zum Mitmenschen wird immer weiter. Aber was denkt Gott über den Turmbau? Gott, der weit im Himmel thront, muss sich erst einmal aufmachen und ganz weit von oben herunterfahren, um zu sehen, was die winzigen Menschen da überhaupt bauen. Und er will, dass sich die Menschen nicht ihre eigene Hölle bauen. Denn je größer der Wunsch nach Selbstanbetung, desto größer die innere Leere. Je stärker der Wunsch nach Einheit und Harmonie, um so grausamer werden Andersdenkende verfolgt und ausgerottet. Darum schiebt Gott erst einmal einen Riegel vor die menschliche Selbstanbetung. Er sorgt dafür, dass sich die Menschen nicht verstehen. Ihre Sprache wird zu verschieden, als dass sie sich auf einen gemeinsamen Nenner einigen könnten. Aber da bleibt Gott nicht stehen, dass er die Menschen zappeln lässt in ihrer Suche nach Einheit und Frieden. Er kommt herunter auf die Erde – nicht auf einen hohen Turm, ganz normal auf die Erde. Er schickt seinen Sohn auf die Welt. Und Jesus Christus ist der Mensch, der nicht sich selbst einen Namen machen will. Sein ganzes Leben ist darauf gerichtet, dass Gottes Name geheiligt werde, dass Gott unter den Menschen regiere, dass Gottes Wille geschehe. Und Gott kommt auf die Erde, indem er seine Geist aussendet. Und der Heilige Geist beginnt nun eine große, herrlich und unsichtbare Stadt zu bauen. Jesus Christus ist der Grundstein dieser Stadt. Auf ihm gründen alle lebendigen Steine. Der Heilige Geist geht hinaus in alle Welt und sucht überall lebendige Steine. Er sucht Menschen wie dich und mich. Keine einheitlichen Lehmziegel werden verwendet. Nein, jeder Stein ist anders. Jeder Stein kommt an die passende Stelle. Es kann sein, dass er uns ein paar Ecken und Kanten entfernt, dass er uns einen ganz neuen Schliff gibt, dass er vielleicht im Feuer des Leidens das Gold von der Schlacke trennt. Er stellt uns andere Steine zur Seite, die uns vielleicht manchmal etwas drücken. Gleichzeitig sorgt er dafür, dass die einzelnen Steine zusammenpassen. Und in dieser von Gott gebauten Stadt wird uns der Frieden und die Einheit, nach der wir Menschen uns so sehnen geschenkt. Ein Zeichen des Friedens ist die gemeinsame Sprache, die in der Stadt gesprochen wird. Eine Sprache, die in allen menschlichen Sprachen verstanden wird:

Die Sprache der Liebe.

Wir müssen das nicht selbst herstellen, sondern wir müssen uns nur einbauen lassen. Wir werden auch bis zum Ende der Tage eine Baustelle bleiben und viel Unfertiges sehen. Doch, wenn einmal der Schlussstein eingesetzt wird, dann wird Gott selbst in der Stadt wohnen und bei uns sein.

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